Sonntag, 1. Juli 2007

1. Tag


Montag, 25. Juni 2007, erster Tag:  

Ochsenfurt - Dingeloord - Werkedam

5 Uhr: Der Citybus der Stadt Ochsenfurt steht bereit. Die Crew macht sich bekannt. Heinz Schleßmann gehört dazu, 64 Jahre alt Binnenschiffer und Fachlehrer im Ruhestand, der Käpt’n, derjenige der sich auskennt.
Jürgen Gross, 63 Jahre, die man ihm nicht ansieht. Früher mal ging er als Schiffsführer auf große Fahrt, bevor er sich einen Job an Land suchte. Lange hat er nicht mehr am Steuerrad gesessen. Er ist gespannt, wirkt beinahe etwas unsicher. Was hat er noch drauf? Wie spielt sein Arm mit, den er nach einer schwierigen Schulteroperation nur noch zur Hälfte anheben kann.
Der nächste in der Mannschaft, Gerhard Wingenfeld, stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsvereins und der Koch an Bord, eine Eigenschaft, die ihm förmlich auf den Leib geschneidert scheint.
Und dann ich, einigermaßen seefest, aber ohne genaue Vorstellung, was mich die nächsten Tage erwartet. Ich sehe mich da in bester Gesellschaft
Was ich weiß: Die Umstände sind spartanisch, die Körperpflege wird leiden, eine kleines Passagierschiff für kurze Wege ist nun mal kein Luxusliner. Dann endlich treffen die ein, die uns nach Rotterdam bringen sollen. Bürgermeister Peter Wesselowsky mit dem Scheck für das Schiff in seinem Lederbeutel und Roland Gregor, der sich auf der 1200 Kilometer langen Hin- und Rückfahrt das Steuer mit ihm teilen wird. Es geht nach Zeeland, genauer nach Dingeloord-Sassdijk, einem kleinen Ort im unübersichtlich flachen Land zwischen den verwirrenden Mündungsarmen von Rhein, Maas und Schelte.
Die Fahrt verläuft ruhig, das Wetter trübt sich immer mehr ein. Hinter der Eifel droht scheinbar das Weltende. Unser Ziel erreichen wir gegen 14.30 Uhr in einer hässlich grauen Soße aus Dunst und Starkregen. Schnell ist der Handel gemacht, 43000 Euro soll die Nixe kosten, so war es verabredet. Mit einem Schluck Kaffee aus Plastikbechern wird das Geschäft begossen. Dann geht es an die Arbeit. Die alten Teppichfliesen müssen noch raus, sie scheinen zu leben, die Bänke aufs Dach. Schließlich muss der enge Raum reichen für vier Nachtlager.
Gegen 17 Uhr dann endlich auslaufen. Von vorn herein steht fest, dass die Sonne unseren Rhythmus bestimmt. Fahren von Aufgang bis Untergang lautet die Parole. Nur so ist die Strecke in fünf oder sechs Tagen zu schaffen. Die Nixe mit ihren knapp 100 PS ist für die kurze Querung des Rheins motorisiert. Auf der Strecke macht sie bestenfalls zehn Stundenkilometer. Für mich als Autofahrer ist es verwunderlich, dass sich ein entferntes Ziel in diesem Tempo überhaupt erreichen lässt. Doch der Käpt’n ist zuversichtlich gelassen.
15 Minuten nach dem Auslaufen erreichen wir die erste Schleuse, die Volkerak-Schleuse, die den kleinen Hafen vom offenen Mündungsarm trennt. Als besondere Vorkommnisse sind das Fehlen zweier Frischwasserkanister und eines Glases eingemachter Gurken zu vermelden. Der Smutje ist schuld beschließt die Mannschaft. Die Gurken tauchen wieder auf, die Kanister bleiben verschwunden. Die hygienischen Standards haben einen erneuten Rückschlag erlitten.
Dafür hat der Himmel ein Einsehen. Bei milder Abendsonne erreichen wir gegen 19.20 die Mordijk-Brücke vor dramatischer Wolkenkulisse. Rheinkilometer 982. Wenig später treibt uns eine dunkle Regenfront vor sich her. Wir sind in die Nieuwe Merwede eingefahren.
20 Uhr das erste Mahl an Bord. Hausmacherwurst als Vorgeschmack auf die kommenden Tage, dazu ein Bocksbeutel Silvaner Kabinett. Trotz der bescheidenen Umstände kehrt ein Gefühl von Luxus ein. Die beiden Schiffsführer essen in Schichten. Zeit ist nicht zu verlieren.   21.50 Uhr, die Frankenland aus Erlenbach am Main liegt bei Werkedam backbordseits vor Anker. Familie Hahn lässt uns unser Schiff an dem Tanker anlegen. Vorsichtig wird die Nixe festgemacht. Nach der Katzenwäsche mit Flusswasser und einer Flasche Bier macht es sicht die Mannschaft in ihren Schlafsäcken bequem. Es dauert kaum fünf Minuten, bis mir die Augen zufallen.

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